Taekwon-Do: Kraft für das Leben

Taekwon-Do: Kraft für das Leben

Im Folgenden Beitrag widme ich mich der Bedeutung des Taekwon-Do für die Lebenskraft. Es geht dabei ausdrücklich nicht um eine Bedeutung des Begriffs im esoterischen Sinn, sondern um eine Ableitung aus der ostasiatischen Weltanschauung. Die Lebenskraft wird beispielsweise im koreanischen und japanischen „Ki“, im chinesischen „Chi“ und im indischen „Prana“ genannt und meint die ganzheitlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten des Menschen, ein bewusstes und positives Leben führen zu können. Durch die Hilfe einer Kampfkunst, wie es das traditionelle Taekwon-Do ist, oder anderen Bewegungskünsten wird diese Lebenskraft geordnet, kontrolliert und gestärkt, um folglich ein langes und gesundes Leben zu führen. Lebenskraft setzt sich aus körperlichen, mentalen, gesellschaftlichen und spirituellen Bestandteilen zusammen und ist zudem in der asiatischen Denkweise eine allesumgebende und allesverbindende Kraft. Der Blick ist jedoch stets auf unser Selbst gerichtet und es wird sich nicht mit anderen gemessen. Dennoch besteht eine permanente Wechselbeziehung zwischen uns und unserer Umwelt, welche positive oder negative Auswirkungen haben kann. Die Aussage „Ich bin stark!“ sollte also niemals als Vergleich mit anderen Menschen oder Lebewesen getroffen werden, sondern sich stets auf die eigenen Fähigkeiten und deren Entwicklung konzentrieren.

Tae Kwon Do Power - Jae-Hwa Kwon
Die Kraft hinter Taekwon-Do in einer Bewegung festgehalten.

Taekwon-Do Power, also die Kraft hinter der Kampfkunst, kommt aus der jahrelangen Übung. Durch das intensive und fordernde Training wird angestrebt, die eigene Stärke zu steigern, was als ein Kampf mit sich selbst und der eigenen Identität verstanden werden darf. Die so aufgebaute Stärke und Kraft ist aber in keinerlei Hinsicht dazu da, andere einzuschüchtern oder gar im Kampf zu besiegen. Es geht, wie bereits erwähnt, ausschließlich darum, die eigene Lebenskraft aufzubauen, zu kontrollieren und zu organisieren. So wird diese Stärke beispielsweise in Vorführungen einzig aus dem Grund heraus demonstriert, um anderen die Möglichkeiten dieses intensiven Trainings an sich zu zeigen. Das Ziel dahinter ist es, Zuschauer zu motivieren, den Taekwon-„Weg“ einzuschlagen und an der eigenen Lebenskraft zu arbeiten.

Alle Techniken im traditionellen Taekwon-Do sind so ausgelegt, dass sie bei richtiger Ausführung den Körper dauerhaft stärken und zu jahrelanger Gesunderhaltung beitragen können. Dies umfasst beispielsweise (alle Effekte aufzuzählen ginge hier zu weit) neben der umfassenden Kräftigung, insbesondere körperlicher Schwachstellen wie Gelenke, eine Erhöhung der Fitness, auch eine Steigerung der Mobilität sowie eine Verbesserung der Körperwahrnehmung. Darüber hinaus wird aber auch die Psyche positiv beeinflusst. Das Selbstbewusstsein wird gestärkt, individuelle Grenzen werden realistisch eingeschätzt aber auch sukzessive erweitert, darüber hinaus wächst der Respekt gegenüber dem Umfeld.

Durch das hingebungsvolle Training und die intensive Auseinandersetzung mit uns selbst, wächst in uns schließlich die Erkenntnis, wie wertvoll und schützenswert das Leben ist. Es drängt sich irgendwann die Frage auf, warum eine mögliche Gefährdung der eigenen Lebensgrundlage (z.B. Körper, Psyche und Persönlichkeit) noch länger in Kauf genommen werden soll oder, daraus abgeleitet, warum eine mögliche Gefährdung anderer Menschen oder sonstiger Lebewesen riskiert werden sollte? Daraus resultiert beispielsweise, dass nur das kontaktlose Training erstrebenswert ist. Entweder die geübten Techniken werden so ausgeführt, dass der Kontakt mit einem Übungspartner keine ernsthafte Gefährdung darstellt, oder es wird so geübt, dass der maximale positive Effekt für den Übenden daraus resultiert. Im Mittelpunkt steht demnach das Streben, eine Technik stets sauber (mit der richtigen Technik und Ausführung), kraftvoll (mit einer maximalen Wirksamkeit der Technik nach innen und außen) und richtig (den eigenen körperlichen Voraussetzungen angepasst) auszuführen. Es geht also nicht darum, sich mit einem anderen zu messen, sondern für sich selbst zu üben. Letztlich bildet dies die Grundlage für ein Leben, in welchem man lange stark und gesund bleibt.

Nach Jae-Hwa Kwon ist das traditionelle Taekwon-Do eine Möglichkeit den Zustand von Satori („jene wahre und mit Worten nicht wiederzugebende Einsicht […] alle Dinge in der Weise [zu sehen], daß man völlig mit ihnen eins wird und sie nicht mehr von außen, als ein Zweites beurteilt“ [1]) zu erreichen. Auch hier dient das Training einzig und allein dem Zweck an seinem eigenen Selbst zu arbeiten und die eigene Lebenskraft zu steigern, um schließlich bewusster und achtsamer zu Leben.

„Es ist die Grundidee des Do, die Lücke zwischen Wille, Gedanken und Körper zu schließen, um in dem so errichteten Zustand dem Geist freie Entfaltungsmöglichkeit zu geben und ihm den Zugang zum Satori zu ermöglichen. Diese erwähnte Lücke zu schließen, wird nun dadurch erreicht, daß Geist, Gedanken und Körper durch eine bestimmte, kontinuierlich fortgesetzte Tätigkeit oder Verhaltensweise, die von ersterem gesteuert wird, aneinandergebunden werden, und so allmählich völlig ineinander übergehen.[1]


Die aus den vorangegangenen Betrachtungen resultierende Erkenntnis ist also, dass das richtig und bewusst durchgeführte Training im traditionellen Taekwon-Do die „Kraft für das Leben“ (auch Lebenskraft, Ki, Chi oder ähnlich bezeichnet) steigert.

An dieser Stelle möchte ich mich noch bei meinem Meister – Jae-Hwa Kwon – bedanken. Er hat mir nicht nur das hier verwendete Bildmaterial zur Verfügung gestellt, sondern gab mir auch die Inspiration für diesen Beitrag. Darüber hinaus hat mir Meister Kwon Bilder und Inspiration für viele weitere Beiträge gegeben und motiviert mich, zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den Besonderheiten der Kampfkunst traditionelles Taekwon-Do. Ich fühle mich sehr geehrt von einem Mann zu lernen, der sein ganzes Leben der Ergründung und Vermittlung einer so lebensbeeinflussenden und lebensfördernden Kunst gewidmet hat. Sein Motto: „One Body. One Life. One Mission.“ gewinnt mit seinen 80 Jahren zunehmend an Bedeutung und ich empfinde größte Freude und Ehre, unmittelbar von ihm als lebende Legende unterrichtet zu werden.

Jae-Hwa Kwon - One Body. One Life. One Mision.
Meister Kwon zu seinem 50 jährigem Jubeläum des unterrichtens in Europa und der Welt. Sein Motto: One Body. One Life. One Mission.

[1] Aus: Kwon, Jae-Hwa – Zen-Kunst der Selbstverteidigung, Barth 1971

© Textrechte liegen bei Dr. Björn Pospiech. All rights reserved.
© Bildrechte liegen bei Jae-Hwa Kwon. All rights reserved.

Der Tiger frisst niemals Gras 

Der Tiger frisst niemals Gras 

Bei einem Trainingsaufenthalt in Portland im September 2015 bei Meister Kwon, Jae-Hwa war, wiederholte dieser uns immer wieder mantraartig folgenden Kung-an[1]: „Der Tiger isst niemals Gras!“. Dazu erzählte er folgendes:

„Ein Tiger ist Fleischfresser und egal wie hungrig er ist, er wird niemals Gras essen. Sie müssen überlegen was Sie wollen! Geben Sie sich mit Gras zufrieden oder riskieren Sie den Tod?“

Vor dem koreanischen Hintergrund, dass einer Legende nach Tan-Gun, der Urvater der Koreaner, eine ehemalige Bärin zur Frau nahm, weil sie in einem Wettkampf mit einem Tiger gewann, gab mit die Aussage von Meister Kwon die letzten Monate viel zu bedenken. Dabei ist das Folgende herausgekommen…

Die Legende von Tan-Gun

Der koreanischen Mythologie nach wurde das Volk der Koreaner von einem Gottessohn begründet, dessen Pseudonym Tan-Gun ist. Einer Legende nach lebten ein Tiger und ein Bär zusammen in einer Höhle und beteten für Menschen zu werden. Die Gottheit Hwan-ung (der Sohn des Allgottes Hwan-in) rief infolgedessen einen Wettkampf zwischen den beiden aus. Wenn beide in der Höhle für 100 Tage, mit ausschließlich Beifuß und Knoblauch als Nahrung, überleben würden, würde er Sie zum Menschen machen. Als der Tiger kurze Zeit später vor lauter Hunger aufgab, weil er das Gras nicht essen wollte, ging der Bär nach insgesamt 21 Tagen als Sieger hervor. Hwan-ung verwandelte ihn darauf in eine Frau und ehelichte sie. Aus der Liaison ging Tan-Gun hervor, welcher das erste koreanische Königreich (Choson) begründete.[2]

Somit hat in dieser Legende derjenige gesiegt, der flexibler war und sich den Gegebenheiten besser anpassen konnte. Beide Tiere sind Fleischfresser und haben enorm viel Kraft. Sie würden sich bei einem realen Aufeinandertreffen wohl eher aus dem Weg gehen und in einem Konflikt gäbe es keinen sicheren Gewinner. Der Tiger wollte oder konnte seine Prinzipien, ausschließlich Fleisch zu fressen, nicht überwinden und hat es vorgezogen aus diesem Wettstreit als Verlierer dazustehen. Auf der einen Seite zeigt dies eine enorme Charakterstärke sich keine Vorteile durch einen Kompromiss einzugehen. Andererseits hat der Bär durch seine Offenheit ein Volk begründet. An dieser Stelle soll sich jede/r Leser/in eine eigene Meinung bilden, welche Eigenart sie oder er besser findet. Ich stelle mir die fragt, ob der Tiger überhaupt eine Wahl hatte, oder er sich wegen seiner gegebenen Eigenschaften hätte anders entscheiden können?

Kann ein Tiger Gras fressen?

Für diesen Abschnitt soll gesagt sein, dass er nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Da ich kein Zoologe bin, habe ich leider keinen Zugriff auf entsprechende Studien und Materialien. Ich versuche dennoch so gut es mir möglich ist authentische Inhalte zu vermitteln.

Tiger sind Fleischfresser und weder ihr Gebiss ist darauf ausgelegt, dass sie Gras aufnehmen könnten, noch ist ihr Verdauungstrakt in der Lage es zu verarbeiten. Das Gebiss setzt sich aus 30 Zähnen zusammen, welche darauf ausgelegt sind etwas zu brechen oder zu zerschneiden. Es besteht aus Reißzähnen, stark entwickelte Eckzähnen und spitzen Backenzähnen. Da Gras jedoch zermahlen werden muss, kann ein Tiger es vielleicht noch abbeißen/abreißen, es dann aber nicht weiter zerkleinern und müsste es im Ganzen runterschlucken. [3] Der Verdauungstrakt von Tigern ist darauf ausgelegt Fleisch zu fressen und es mit all seinen Knochen und Giften zu verarbeiten. Der Salzsäuregehalt seines Magens ist sehr hoch, um beispielsweise das Fleisch von den Knochen zu lösen und es zu zerkleinern. Es ist auch ein hoher Gehalt an Entgiftungsenzymen vorhanden, da schwerverdauliche oder giftige Bestandteile mit verschluckt werden. Auch ist der Darmtrakt daraus ausgelegt das verwesende Fleisch schnell aus dem Körper zu bekommen und es nicht unnötig lange im Körper zu halten. Durch die geringe Anzahl an Speicheldrüsen im Mund können Speisen, wie Gras nicht vorverarbeitet werden und landen direkt im Magen, wo sie aufgrund des hohen Säuregehalts ebenfalls nicht verarbeitet werden. Aus dieser Anschauung resultiert, dass Tiger Gras nicht verdauen könnten und es somit absurd ist, wenn sie es dann fressen würden.[4]

Ein paar wenige Worte möchte ich an dieser Stelle noch zum Thema „Katzen und Katzengras“ verlieren, da Tiger zur Gattung der Panthera (Eigentliche Großkatzen) und damit der Katzen gehört. Warum fressen dann Katzen Gras und Tiger nicht. Da normale Katzen bei weitem nicht so groß wie Tiger sind und auch kein so aggressives Verdauungssystem haben, können sie nicht alles was sie fressen (wie z.B. Fell) verdauen. Diverse Theorien gehen davon aus, dass Katzen Gras fressen, weil sie Vitamine oder Nährstoffe aufnehmen oder sie es aufnehmen, damit sie unverdauliches verklumpen können und somit besser hervorwürgen können.[5]

Niemals, immer, vielleicht – Yin-Yang

Eines der zentralen philosophischen Prinzipien in der asiatischen Kultur ist der Glaube an die Dualität der Dinge und allen Seins. Dabei steht das „ki“ (koreanisch für das chinesische „qi“) als eine Art Energie oder Stoff, dass weder fest noch flüssig, noch gasförmig ist und die Welt und alles darauf Existierende zusammen und in Bewegung hält. Dieser allumfassenden Lebensenergie oder auch Atmosphäre werden nun verschiedene Eigenschaften (z.B. Gestalt, Geist, Körper, Herz als Sitz der Lebenskraft) zugeordnet, welche in eine äußere (Yin) und eine innere (Yang) Beschaffenheit mit sich bringen. Demnach gibt es immer zwei Seiten, welche zueinander gehören, das Gegenteil darstellen – gut/böse, hell/dunkel, schwarz/weiß etc. – was jedoch nicht automatisch auf einen Dualismus schließen lässt. Letztlich gibt es immer noch einen Mittelweg (wie die Dämmerung oder Grau). So beinhaltet das eine (Yin oder Yang) immer auch etwas von dem Anderen, was durch den kleinen Punkt symbolisiert wird und dafür steht, dass sich alles gegenseitig bedingt und es nichts gibt, was ausschließlich alleine existieren kann. So kann ich z.B. nicht wissen ob es dunkel ist, wenn ich nicht die Helligkeit kenne. [6]

Meiner Meinung nach, sollte man eine Vorstellung von beiden extremen haben, um mit diesem Wissen den für sich optimalen Mittelweg finden. Demnach muss ich etwas nicht erfahren haben, um eine gute und für mich richtige Entscheidung zu treffen. Ich sollte aber gute Quellen haben, um eine optimale Grundlage für meine Entscheidungen treffen zu können. Ich muss also ganzheitlich denken und beispielsweise ein Problem, eine Sichtweise oder eine körperliche Beschwerde verstehen zu können.

In dieser asiatischen Denkweise gibt es bestimmte Übungen, um diese Ideen und Konzepte erfahrbar zu machen und eine ganzheitliche Denkweise im Menschen zu verankern. Hierzu gehören beispielsweise, die Meditation, die Bewegungskünste (Yoga oder Kampfkunst) oder die Kalligraphie. Sie alle machen aufgrund einer intensiven Beschäftigung mit einer Sache nach langer Übung die Idee hinter der Lebensenergie „ki“ und deren Erklärungsmodell „Yin und Yang“ als individuellen Mittelweg erfahrbar.

Wenn ich also meinen Weg gefunden und definiert habe, gibt es dann eigentlich keinen Grund davon abzuweichen? Für mich bedeutet es, dass ich mir schon Gedanken mache, ob und wie etwas Neues in mein Leben passen. Jede gemachte Erfahrung bringt mich meinem Zielzustand, dem optimalen Mittelweg für mich, ein Stück näher. Dies sollte jedoch nicht heißen, dass ich permanent die Richtung ändere, was für mich eigentlich nur aufgrund einer kompletten Fehleinschätzung in Verbindung mit einer persönlichen Enttäuschung passieren könnte. Es ist vielmehr als Spezialisierung und Verfeinerung der bereits eingeschlagenen Richtung zu sehen.

Prinzipien als Grundlage der eigenen Lebensführung

Alle Menschen bringen gewisse Prinzipien und Grundlagen für das eigene Handeln und Entscheidungen[7] mit in konkrete Situationen. Diese Grundlagen liegen begründet in angeborenen Eigenschaften, der erhaltenen Erziehung in Kindheit und Jugend, den gewählten Beziehungen und Kontakten mit anderen Menschen und einer selbstgewählten Auseinandersetzung mit dem eigenen ich. Bei mir persönlich sind meine aktuellen Prinzipien aus eine intensiven Beschäftigung mit mir und meinem Selbstverständnis, ausgelöst durch eine „Lebenskrise“ in Verbindung mit der zuvor stärker werdenden Bedeutung der Kampfkunst traditionelles Taekwon-Do für mein Leben, hervorragenden. Während der darauf folgenden Phase meiner Promotion[8], in der es unter anderem auch um das Selbstverständnis bei Lehrern ging, haben sich diese Prinzipien gefestigt und herausgearbeitet. Hierzu gehören beispielsweise, dass mein Tun und Handeln dem direkten Wohle der Allgemeinheit dienen soll, ich dabei jeden Menschen individuell betrachten möchte und ich mich einer aufgeklärten, kreativen und wissenschaftlichen Methode bedienen möchte. Ich möchte nicht alles, was mir gesagt oder gezeigt wird, einfach so hinnehmen. Stattdessen sollen die Dinge in irgendeiner Art und Weise für mich erklärbar und begreifbar sein. Natürlich gehe ich dabei nicht immer von unseren westlichen Denkweisen (wie z.B. der Schulmedizin) aus, sondern versuche permanent meinen Horizont zu erweitern und bemühe mich kreativ „über den Tellerrand“ zu blicken.

Ich kann und möchte einem jeden empfehlen sich einmal intensiv mit sich seiner Persönlichkeit und seinen Idealen auseinandersetzen. Nehmen Sie sich die Zeit und stellen sich fragen, wie „Wer bin ich?“, „Was möchte ich erreichen?“, „Woran glaube ich?“ oder „Nach welchen Prinzipien möchte ich leben?“. Dabei ist es auch sehr hilfreich sich in wissenschaftlichen Büchern und Veröffentlichungen Inspirationen beispielsweise aus den Bereichen Pädagogik, Psychologie und den Gesundheitswissenschaften zu holen. Hier gibt es sehr interessante Konzepte und Modelle zu verschiedenen Bereichen, den Menschen betreffend.

Nachdem ich im vorangegangenen ein paar Hintergründe zu meinen Überlegungen gegeben habe, möchte ich im Folgenden auf meine Idee und Meinung, was Meister Kwon mit der Aussage „Der Tiger isst niemals Gras“ und dessen Bedeutung für mich eingehen.

Geradlinigkeit auf dem eigenen Weg

Auch wenn der Bär in der Tan-Gun Legende letztlich zu einer größeren Bedeutung geworden ist, so hat er nie sein Naturell und seine Ideale „verraten“. Letztlich wurde die Aufgabe so gestellt, dass nur der Bär gewinnen konnte. Hatte der Tiger das Gras gefressen, was würde dies dann über seinen Charakter aussagen? Würde er bei wichtigen Entscheidungen oder großen Herausforderungen nicht immer den einfacheren Weg gehen? Würde er letztlich nicht nur sich, sondern auch andere damit belasten? Könnte man sich auf so jemanden verlassen?

Genau dies ist für mich die Kernaussage des Kung-an von Meister Kwon.

Gehe Zielstrebig und Geradlinig deinen Weg, was nicht bedeutet Chancen, Umwege oder Abzweige zu vermeiden. Wir sollten uns aber stets die Frage stellen, ob dies zu uns und unserer Persönlichkeit passt, oder wir uns dadurch vielleicht „verraten“. Wähle nicht aus irgendeinem Grund den vermeintlich einfacheren Weg, denn ist die Entscheidung einmal getroffen, gibt es kein Zurück mehr. Handle und entscheide stets überlegt und vor dem Hintergrund deiner selbst gewählten Maxime, so kannst du im Nachhinein nicht bereuen eventuell einen Fehler gemacht zu haben.

Letztlich stellt alles was uns passiert, jede Erfahrung in irgendeiner Art und Weise eine Herausforderung und Aufgabe für unser Leben und unsere Entwicklung dar. Wenn ich nun versuche diese Erfahrungen bewusst, also wohlüberlegt und mit bedacht, in mein Leben zu integrieren, so sollte ich stets überlegen wie mit meinen bisherigen Erfahrungen und Überzeugungen einhergeht. Die daraufhin gefassten Entscheidungen und Handlungen sollten überlegt getroffen werden.

„Der Tiger frisst niemals Gras“ hat für mich die Bedeutung, dass ich im Grunde meiner Linie und meinen grundsätzlichen Beweggründen treu bleibe und mit immer bewusst bin, dass Dinge in meinem Leben passieren, weil sie mich in meiner persönlichen Entwicklung einen Schritt weiter bringen und „wachsen“ lassen.

 Nachtrag vom 10.10.2016

Bei einem Telefonat mit Meister Kwon teilte dieser, nachdem er meinen Beitrag hier gelesen hatte, mir noch mal seine Meinung dazu mit.

Demnach bedeutet der Spruch „Der Tiger frisst niemals Gras“ für ihn, dass man unbeirrt seinen Weg gehen soll. Denn nur wer selbst stark wie ein Tiger ist, wird sich nicht von anderen abbringen lassen. Er wird andere anziehen, die den Weg gemeinsam mit ihm gehen und ihn von sich aus dabei unterstützen. Er hob auch noch mal die Bedeutung des altruistischen und uneigennützigen Gebens und Daseins für andere hervor und bedauerte, dass es heute zu viele Menschen gibt, bei denen das eigene Interesse bei den Handlungen im Vordergrund steht.

 


[1] Auch Kōan eine kurze Anekdote oder Sentenz, die eine beispielhafte Handlung oder Aussage eines Zen-Meisters, ganz selten auch eines Zen-Schülers, darstellt.

[2] Quelle: Ha, T.-H. (1972). Samguck Yusa. Seoul: Yonsei University Press

[3] Quelle: http://www.tiger-online.org/anatomie/kopf/gebiss.htm

[4] Quelle: http://www.tiger-online.org/anatomie/organe/organe.htm#gast

[5] Quelle: http://www.abendblatt.de/ratgeber/wissen/article106530678/Warum-fressen-Katzen-Gras.html

[6] Siehe: Linck, G. (2000). Yin und Yang: auf der Suche nach Ganzheit im chinesischen Denken. München: Beck

[7] Siehe z.B. Feger, H. (1978). Konflikterleben und Konfliktverhalten. Bern: Huber.

[8] http://www.amazon.de/dp/3734770556