Am 26. März 2017 fand in Bad Reichenhall ein Lehrgang zu dem Thema „Gesundheit durch traditionelles Taekwon-Do“ statt. Die vier Lehrgangsleiter bereiteten ihre vermittelten Inhalte entsprechend theoretisch und praktisch auf und schafften es somit, ein sehr interessantes und lehrreiches Programm zu vermitteln. Die Inhalte und Kernaussagen sollen im folgenden Artikel wiedergegeben werden.

Die vier Lehrgangsleiter und ihre Themen waren:

Orthopädie und Gelenkschäden an den Beinen und Armen (von Dr. Ralph Aman, 6. Dan)

Ziel des Vortrages war es, häufig auftretende Beschwerden und Verletzungen in den Extremitäten (Schultern, Arme, Hände und Hüfte, Beine, Füße) aus Sicht der Orthopädie zu erklären und Hinweise zu geben, wie das traditionelle Taekwon-Do lange gesund ausgeübt werden kann.

Grundsätzlich sei gesagt, dass alle sportmedizinischen Belastungsformen (z.B. Ausdauer, Schnellkraft, Aerob, Anaerob) trainiert werden, wenn sie richtig ins Training integriert werden und die Teilnehmer bewusst und gut mitmachen: Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit, Koordination, Ausdauer und Gewandtheit. Wichtig ist dabei, dass für ein nachhaltiges und gesundes Training folgende Reihenfolge eingehalten wird:

  1. Technik: die einzelnen Techniken müssen sauber und richtig aufgebaut werden, so dass sie beispielsweise nicht gegen die grundsätzlichen Bewegungsradien der Gelenke bewegt werden
  2. Kraftaufbau: die für die jeweilige Technik notwendige Muskulatur muss aufgebaut werden (Stabilisierung der Gelenke)
  3. Geschwindigkeit: Wenn die Technik stimmt und die Muskulatur aufgebaut ist, kann die Geschwindigkeit schrittweise erhöht werden und die Übung somit maximale Effektivität erlangen.

Es ist zu berücksichtigen, dass nicht zu oft und einseitig die gleichen Übungen durchgeführt und damit Gelenke überlastet werden. Auch auf ausreichend Pausen und Regenerationszeiten ist zu achten, damit es nicht zur Übermüdung und damit erhöhter Verletzungsanfälligkeit kommt. Im Folgenden werden die einzelnen Extremitätenabschnitte kurz erläutert:

  • Hand
    • Zur Stärkung dieser ist die Liegestütze auf den Fäusten eine der effektivsten Übungen. Dabei ist darauf zu achten, dass das Handgelenk stets gerade ist und die Berührungsfläche der Faust mit dem Boden sich auf die Knöchel von Zeige- und Mittelfinger beschränkt.
    • Zur Vorbereitung der Hand für Bruchtests ist die Abhärtung durch beispielsweise Schlagen auf ein Brett durchzuführen (Knöchel von Mittel- und Zeigefinger, Handinnen- und Außenkante)
  • Ellenbogen
    • Beim Ellenbogen ist ein häufiger Fehler, dass dieser zu sehr überstreckt wird und es somit zu Schäden im Gelenk kommen kann. Durch ein Training der entsprechenden Muskelgruppen (Bizeps & Trizeps), kann dem vorgebeugt werden.
  • Schulter
    • Ein häufiges Problem des Schulterbereiches ist die Durchführung von Bewegungen, ohne die Schulter (z.B. Schulterblätter) adäquat zu dehnen. Anatomisch wird der Oberarm vollständig von Muskeln und Weichteilen am Körper gehalten. Durch zu häufige einseitige Bewegungen (z.B. Sudo oder Yok-Sudo) kommt es zu einer Überbelastung.
    • Durch eine vielfältige Stärkung und Dehnung der Schulter, beispielsweise durch das Üben von Abwehrbewegungen oder Ellenbogenangriffen, wird einem frühzeitigen Verschleiß vorgebeugt. Die Schulterkugel wird optimal zentriert.
  • Fuß
    • Durch das umfangreiche Dehn- und Kräftigungsprogramm und die richtige Ausführung der Fußstellungen im Taekwon-Do ist der Fuß vor größeren Verletzungen oder Überlastungsschäden (z.B. Umknicken oder Achillessehnenproblemen) nahezu vollständig geschützt (wenn es nicht übertrieben wird).
    • Durch diese richtige Ausführung der Techniken und Fußstellungen wird zugleich auch das Knie geschont.
  • Knie
    • Das Kniegelenk ist anatomisch darauf ausgelegt, dass der Mensch lange Strecken laufend zurücklegen kann. Rotationen, seitliche Belastungen oder hohe Geschwindigkeiten stellen hingegen eine hohe Belastung dar.
    • Schnelle Lastwechsel und die Last in starker Beugung, wie beispielsweise die tiefe Kniebeuge (über 90°) oder Strecksprünge, aus der Hocke, sollten vermieden werden.
    • Ebenso sollten Schnappkicks nur in Maßen trainiert werden, da es hierbei häufig zu einer schädlichen Überstreckung des Kniegelenks kommt.
    • Ein adäquates Krafttraining für das Knie, Sprunggelenk und die richtige Ausführung der Übungen (z.B. drehen des Standbeines beim Kicken) kann einer möglichen Verletzung erheblich vorgebeugt werden.
  • Hüfte
    • Da jeder Mensch andere anatomische Voraussetzungen mitbringt, ist die Beweglichkeit (Kickhöhe) der Hüfte stark verschieden. Ein schwungvolles kurzfristiges Erweitern dieser Beweglichkeit geht immer auf Kosten der Gelenke, da beispielsweise Kapselanteile und Sehnen am Knochen angeschlagen werden können.
    • Durch ein umfangreiches Dehnprogramm und das Eindrehen der Hüfte kann diese Einschränkung der Beweglichkeit reduziert werden.
    • Durch vielfältige und variantenreiche Übungen, bei gleichzeitiger mäßiger Durchführung belastender Kicks (Dollyo oder Pandae) und verstärkter Übung unterstützender Kicks (Pakat oder An Pakat), wird eine langfristige Beweglichkeit der Hüfte gefördert.

Zur Schonung der Gelenke sollten die Techniken nicht permanent in die Extreme ausgeführt werden. So hilft es zum Beispiel, Techniken mit kürzerem Hebel zu nutzen, wie beim Einsatz von Ellenbogen oder Knie statt Hand oder Fuß, oder schonendere Varianten der Kicks zu verwenden, beispielsweise Pakat oder An-Pakat statt Pandae oder Dollyo zu üben.

Stretching, Atmung und Kraftaufbau (von Claus Bernet, 5. Dan)

Bei einem Lehrgang am vorangegangen Tag hat Ralf Peter (7. Dan) anschaulich erläutert, wie wichtig es ist, jede Bewegung im Training bewusst auszuführen. Häufig falsch ausgeführte Kicks können mit der Zeit Probleme von Gelenken und insbesondere der Hüfte bewirken. „Wenn wir mit unserem Körper sorgsam umgehen und ihn konsequent stärken, können wir bis in das hohe Alter aktiv und ohne Schmerzen Taekwon-Do betreiben.“

Die Trainingsstunde beginnt damit den Kreislauf in Schwung zu bringen. Bernet gelingt dies trotz der Enge in dem etwas überfüllten Raum, in kürzester Zeit; einerseits durch schnelle Laufbewegungen auf der Stelle, wobei wir unsere Knie abwechselnd maximal hochziehen, und andererseits durch Halteübungen. Dabei verbleiben wir eine gefühlte Ewigkeit in der tiefen Kima-Stellung bis unsere Gesichter gerötet sind und unsere Oberschenken glühen. Jeder kämpft, um durchzuhalten, keiner möchte vorzeitig aufgeben und die Temperatur im Trainingsraum steigt durch die erhitzten Körper deutlich an. Der Wechsel in die erste Stretching-Übung ist nach der Anstrengung eine Erleichterung. Rücksichtsvoll sucht sich jeder einen Platz für seine Beine. Schließlich sitzt jeder im Raum in der Grätsche und von oben betrachtet, ist mit Sicherheit kein Stück Boden mehr zu erkennen. Bernet betont, wie wichtig das vorangegangene Aufwärmen und die Atmung für die Dehnübungen sind. Wir steigern die Dehnung langsam mit der Atmung. Wir wechseln zwischen gehaltenen Dehnübungen und solchen, die Kraft erfordern, zwischen lockernden Laufbewegungen auf der Stelle und Kraftübungen für die Hüfte. Dann darf Bernet seine Trainingseinheit verlängern. Wir freuen uns und halten weiter durch – für unsere Gesundheit und einen schönen Yop-Chagi (Seitkick).

Die Psyche der Selbstsicherheit (von Gülabi Erkoc, 5. Dan)

Ein zu schnelles Aufgeben, sogar im Alltag, lässt viele Menschen schwach werden. Ein einfaches Einknicken des Kopfes, das Zumachen der Augen bei Fehlern, Fallenlassen der Arme, sich selbst auf die Stirn hauen… dies sind meines Erachtens Zeichen von Schwäche.

Inhalt meines Lehrganges war das Ziel den Teilnehmern ihre Ausstrahlung, die sie ja von ihrem eigenen Ich nicht wahrnehmen, fühlen und somit wirken zu lassen. Ein jeder der das Kwon, Jae-Hwa Taekwon-Do betreibt, hat eine gewisse Schaffenskraft, um sich rein mit der Körpersprache zu verständigen. Die Anwesenden sollten das Gefühl von Überzeugung, Willenskraft und Zielstrebigkeit spüren. So haben sie mit einfachen Übungen, wodurch man diese Gesten unterdrücken sollte, eine sichere Haltung erzeugt.

Eine selbstbewusste und sichere Haltung, ein überzeugter Blick, Durchsetzungsvermögen (mit einer gesunden Prise Herzlichkeit), eine Art Tatkraft, aber auch Mitmenschlichkeit und Konfliktbereitschaft habe ich am Ende meiner Stunde in den Augen der Schülerinnen und Schüler gesehen.

Sehr klar wurde es von den Rückmeldungen direkt nach der Stunde. So bedankte sich eine Teilnehmerin mit den Worten: „Danke, dass Sie mir das alles so klar vor Augen führten!“

Veränderungen im Gehirn durch das Kampfkunsttraining (Dr. Björn Pospiech, 4. Dan)

Durch das Trainieren einer Kampfkunst werden, wie bei nahezu jeder Sportart üblich, bestimmte Aktivitäten und Veränderungen im Gehirn der Trainierenden angeregt. Das Besondere in einer Kampfkunst – wie dem traditionellen Taekwon-Do – ist jedoch, dass durch die Vielfalt des Trainings gleichzeitig vielfältige Effekte zu erwarten sind. Während beispielsweise der Langstreckenläufer hauptsächlich das Herz-Kreislauf-System anregt, fördern die vielfältigen Kombinationen und immer neuen Herausforderungen zusätzlich die Veränderung und Erschaffung neuer Gehirnzellen (man spricht hier von „Plastizität des Gehirns“).

Im Folgenden sollen einige der durch das intensive Training zu erwartenden Effekte auf das Gehirn erläutert werden:

Gehirnhälften werden besser verknüpft
Die vielfältigen und immer wieder neuen Kombinationen im Training werden stets beidseitig ausgeführt. Zusätzlich werden Techniken so aneinandergereiht, dass nicht permanent die gleiche Gehirnseite angeregt und gefordert wird. Durch diese intensive Nutzung beider Gehirnhälften, werden die beiden Gehirnhälften besser verknüpft und es entstehen neue Verbindungen. Diese bessere Verknüpfung macht die Trainierenden nicht nur im Sport leistungsaktiver, sondern wirkt sich beispielsweise auch auf die Konzentrationsfähigkeit im Beruflichen aus.[1]

Gehirn wird besser durchblutet
Die teilweise hohe Belastung auf das Herz-Kreislaufsystem wirkt sich nicht nur positiv auf den Körper aus, sondern fördert in gleichem Maße die Durchblutung im Gehirn (höherer Blutdruck und schnellerer Puls). Dies hat gleich mehrere Effekte zur Folge. Zum einen wird die Anzahl der sauerstofftransportierenden Blutzellen erhöht, was eine bessere Durchblutung und damit auch höhere Leistungsfähigkeit zur Folge hat. Auf der anderen Seite werden aber auch neue Blutgefäße im Gehirn aufgebaut, was wiederum eine verbesserte und komplettere Durchblutung zur Folge hat. Die Nervenzellen werden besser mit Sauerstoff versorgt und können in höherem Maße aufgebaut werden. Dies wiederum beugt dem verstärkten Abbau von Nervenzellen in hohem Alter entgegen und beugt präventiv (altersbedingten) Erscheinungen und Krankheiten wie Demenz, Alzheimer oder sonstigen psychosomatischen Schäden am Gehirn vor.[2]

Gehirn ist Anpassungsfähig
Die bereits weiter oben beschriebene Anpassungsfähigkeit (Plastizität) des Gehirns ist unser gesamtes Leben lang aktiv. Das heißt, dass auch in hohem Alter – mit dem Einstieg in hohem Alter – noch positive Effekte durch das Training in einer Kampfkunst zu erwarten sind. Ähnlich einem Muskel, der bei Beanspruchung stärker wird, verhält es sich auch im Gehirn. Durch die regelmäßige Beanspruchung und Nutzung des Gehirns, bauen sich vermehrt Gehirnzellen (Nervenzellen) auf. Insbesondere im Hippocampus – also dem Areal im Gehirn in dem das Wissen, das man über sich und die Welt hat, enthalten ist – werden neue Nervenzellen aufgebaut. Die Bewegung beugt also dem Vergessen vor![3]

Ein weiterer nutzbarer Effekt der Kampfkünste ist beispielsweise die Anpassung von Schmerzen. Der Schmerz wird durch Sensoren in der Haut oder den Innereien wahrgenommen, jedoch erst im Gehirn individuell und personenabhängig interpretiert. Durch eine geeignete Abhärtung, beispielsweise der Knöchel beim Fauststoß, realisiert das Gehirn irgendwann, dass die empfangenen Impulse der Sensoren keine schädigende Wirkung haben und stellt die in diesem Fall überflüssige Alarmfunktion „Schmerz“ ein.[4]

Hormonausschüttung
Durch ein langanhaltendes und intensives Training werden im Körper vermehrt Glückshormone (Endorphine) und andere Hormone (wie Adrenalin) ausgeschüttet und es kann zum sogenannten „Runners High“ oder auch „Flow-Zustand“ kommen. Wir fühlen uns deshalb nach dem Training wesentlich besser und glücklicher. Weitere Folgen können die Unterdrückung von Schmerzen und die gesteigerte Leistungsbereitschaft, aber auch die Verminderung von Depressionen und Lernstörungen sein.[5]

Ökonomisierung und Automatisierung
Durch das regelmäßige Training werden die Bewegungsabläufe immer mehr automatisiert. Wie beim Laufen können wir irgendwann die Bewegungen so ausführen, dass das Gehirn minimal beansprucht wird. Diese gespeicherten Bewegungsarten und -folgen können letztendlich so schnell abgerufen werden, dass sie nach langer und intensiver Übung reflexartig abgerufen werden können und beispielsweise vom Wahrnehmen einer Gefahr bis zur Ausführung einer abwehrenden Bewegung nur Bruchteile von Sekunden vergehen.[6]

 

Zum Weiterlesen:
[1] http://www.huffingtonpost.de/2014/07/17/neurologie-linke-rechte-gehirnhaelfte_n_5595077.html
http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/GEHIRN/GehirnRechtsLinks.shtml
[2] http://www.zeit.de/zeit-wissen/2014/02/sport-bewegung-gesundheit-therapie/seite-3
[3]  https://www.dasgehirn.info/entdecken/anatomie/der-hippocampus
[4] http://www.springermedizin.at/artikel/31308-zen-oder-die-kunst-die-schmerzempfindung-zu-lindern
http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-9968-2009-05-27.html
[5] http://www.sueddeutsche.de/wissen/runners-high-jogger-rausch-aufgeklaert-1.258666
https://books.google.de/books?id=ubR_l2lfsZsC&lpg=PA206&ots=DobKAhJ9OZ&dq=runners%20high%20Psychologie&hl=de&pg=PA206#v=onepage&q&f=false
[6] https://www.dasgehirn.info/handeln/motorik/kommandozentrale-fuer-bewegungen

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